Kanna (Kougoed) – Sceletium tortuosum


Kanna (Sceletium tortuosum) ist eine afrikanische Heil- und Rauschpflanze mit antidepressiver und stimmungsaufhellender Wirkung. Einer ihrer Wirkstoffe, das Mesembrin, wird sogar in der westlichen Medizin erfolgreich verwendet. In diesem Artikel werden wir uns Geschichte, Verwendung und Eigenschaften dieses faszinierenden Heilkrautes näher ansehen.

Denkt man an psychoaktive Pflanzen, so fallen einem vermutlich zuerst Dinge wie Ayahuasca, Peyotl, Cannabis oder ähnliches ein. Würde man für jede dieser Drogen eine kleine Stecknadel in eine große Weltkarte stecken, so fände man bemerkenswert viele Nadeln in Süd- und Zentralamerika, ja insgesamt auf dem amerikanischen Kontinent. Natürlich wissen wir, dass es auch auf den anderen Kontinenten unserer Erde eine Menge interessante psychoaktive Pflanzen gibt. Afrika tut sich allerdings nicht gerade hervor, wenn es um bewusstseinserweiternde Gewächse geht.

Das ist verwunderlich, zieht man in Betracht, dass es dort hochinteressante Pflanzen wie zum Beispiel den Iboga-Strauch (Tabernathe iboga), Afrikanisches Traumkraut (Silene capensis) und Kanna (Sceletium tortuosum) gibt. Die afrikanischen Pflanzen mit denen wir uns gerne beschäftigen, haben außergewöhnliche und heilsame Wirkungen. Ein gutes Beispiel ist der Iboga-Strauch, der im Bwiti-Kult seit Jahrhunderten für Heil- und Initiationszeremonien verwendet wird. Kanna wird genauso vielseitig verwendet und hat eine weit zurück reichende Geschichte.

Geschichte und Herkunft von Kanna

Die indigenen Völker Khoi und San (später von den Europäern sprachlich als „Khoisan“ zusammengefasst) lebten seit langen Zeiten in der südafrikanischen Landschaft Karoo. Die Khoi waren Jäger und Sammler, die San sesshafte Viehzüchter. Die Karoo hat eine Fläche von etwa einer halben Million Quadratkilometer und beinhaltet Zonen unterschiedlicher Flora und Fauna. So gibt es sehr karge Gebiete mit nur wenigen ausdauernden Sträuchern, saisonal mit gewaltigen Blumenteppichen überwucherte Ebenen und Gebiete mit hunderten verschiedenen Arten von Sukkulenten (Sukkulentenkaroo oder „Namaqualand“). Eine der dort vorkommenden bodenbedeckenden Sukkulenten ist S. tortuosum.

Auch wenn die Khoi und San unterschiedliche Lebensweisen hatten, so verband sie doch ihr gemeinsamer Lebensraum. So war Kanna beiden Völkern als Heilpflanze und psychoaktives Stimulans bekannt. Darüber hinaus ist es auch Teil der spirituellen Kultur der beiden Völker und wurde bei Riten und Zeremonien, zu gesellschaftlichen Anlässen, zum Tanz und zum erreichen tranceartiger Zustände verwendet.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Kultur der beiden Völker ist das Eland, eine rindsgroße Antilope der Karoo. Diese ist nicht nur eine bedeutende Nahrungsquelle, sondern auch ein wiederkehrendes Motiv in den Felsmalereien der San. Fruchtbarkeit, Hochzeit, Regen, Weissagung, Tanz und Trance wurde durch das Eland symbolisch dargestellt. Die Antilope und die Kanna Pflanze waren also beides zentrale Bestandteile der Kultur von Khoi und San.

Die Khoi aus der Region der kleinen Karoo hatten für das Eland und S. tortuosum sogar das geiche Wort: Kanna (manchmal auch channa oder canna geschrieben). Man muss verstehen, dass das „Trancetier“ Eland und Kanna eine kulturelle Verbindung haben. Die Karoo war im 17. Jahrhunderte so voll von beidem, dass die ankommenden europäischen Siedler sie „Kannaland“ nannten. Selbstverständlich waren die Siedler auch an der Pflanze interessiert, als sie die Einheimischen beim Sammeln und dem Konsum der Droge beobachteten. So vermerkte Simon van der Stel, der erste Gouverneur der niederländischen Kapkolonie 1685 in seinem Notizbuch:

Sie kauen meist eine bestimmte Pflanze welche sie Canna nennen und die sie, Wurzeln wie Stämme, zwischen Steinen zerreiben und dann in zusammen genähten Schafshäuten lagern und haltbar machen. Als wir im Oktober zum Kupferberg kamen, wurde die Pflanze auf den umliegenden Hügeln von jedermann gesammelt (um als Vorrat für das ganze Jahr zu reichen). Sie benutzen es, wie die Indianer Betel oder Areca nutzen, und sind sehr heiterer Stimmung.

Aus Simon van der Stel’s Notizbuch

Er erstellte die oben stehende Skizze, welche vermutlich eine Pflanze der Unterfamilie Mesembryanthemoideae darstellt und deren Blätter das Aussehen der Gattung Sceletium haben. Dazu notierte er weiterhin:

Diese Pflanze findet man bei den Bewohnern des Namaqualandes und dort nur auf einigen ihrer Berge. Sie wird von ihnen und den anderen Stämmen in der Umgebung hoch geschätzt, genau wie Betel oder Areca von den Indianern. Sie kauen den Stamm und die Wurzeln meist den ganzen Tag lang und werden davon berauscht, so dass man aus diesem Grund und auch wegen des Geruchs und des herzhaften Geschmacks von einigem Gewinn durch den Anbau dieser Pflanze ausgehen kann.

Man kann sich denken, dass die Pflanze das Interesse der wissenschaftlichen Gemeinde im alten Europa weckte. Der erste Nachweis eines Alkaloids in Pflanzen der Gattung Sceletium erfolgte 1898 durch Meiring, der das damals noch unbekannte Mesembrin aus S. tortuosum isolierte und eine physiologisch Wirkung im Tierversuch nach wies. Weitere Untersuchungen wurden vom Schweizer E. Zwicky 1914 im Rahmen seiner Dissertation „Über Channa, ein Genussmittel der Hottentotten“ durchgeführt. Er entdeckte in S. tortuosum und Sceletium expansum Alkaloide und gab ihnen den Namen Mesembrin.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden weiterhin an zahlreichen Sukkulenten der Unterfamilie Mesembryanthemoideae Untersuchungen bezüglich des Alkaloidgehalts und der Zusammensetzung selbiger durchgeführt. Weil es jedoch sehr viele verschiedene Gattungen gibt, werden wir uns der Übersichtlichkeit wegen nur auf Ergebnisse bezüglich S. tortuosum beschränken.

Frühe Untersuchungen zeigten für S. tortuosum einen Mesembringehalt von 0,3 % in den Blättern und 0,86 % in den Stämmen (Watt und Breyer-Brandwijk, 1932). Generell ist jedoch davon auszugehen, dass der Mesembringehalt erheblichen Schwankungen unterliegt, zum einen durch den vegetativen Zyklus der Pflanze und zum anderen abhängig vom Erntezeitpunkt. Einwohner des Namaqualands erzählten, dass Pflanzen die zu früh im Jahr gesammelt werden nur eine geringe psychoaktive Wirkung haben, was diese Theorie unterstützt (Smith et al., 1996).

Der Oktober stellt einen ausgezeichneten Monat im reproduktiven Zyklus der Pflanze dar, nämlich den Zeitpunkt der Fruchtentwicklung. Da Alkaloide als Schutz gegen Pflanzenfresser dienen (Henry, 1949) ist es wahrscheinlich, dass der Alkaloidgehalt in den überirdischen Pflanzenteilen zu diesem Zeitpunkt am höchsten ist. Andere Untersuchungen zeigen, dass der Alkaloidgehalt in der Reihenfolge verholzte Stämme > Wurzel > grüne Stämme > Blätter abnimmt (Jeffs et al., 1971). Wenn wir diese Ergebnisse zusammenfassen, scheinen Pflanzen mit möglichst vielen verholzten Stämmen, geerntet zum Zeitpunkt der Fruchtentwicklung, das beste Material darzustellen. Die Wurzel sollte ebenso mit geerntet werden.

Inhaltsstoffe

Wir haben im vorigen Abschnitt bereits über Mesembrin und Untersuchungen des Alkaloidgehalts gesprochen. Wie in der Natur so oft, ist es aber nicht ganz so einfach, denn es kommt nicht nur Mesembrin in S. tortuosum vor, sondern eine Mischung von mindestens neun verschiedenen phenolischen Alkaloiden (Jeffs et al., 1974 / Popelak und Lettenbauer, 1968). Röscher et al. (2012) führten genaue Analysen (NACE-MS) der Alkaloide in S. tortuosum durch und fanden zehn strukturell ähnliche Alkaloide.

Mesembrin Alkaloide nach Roscher et al. (1998).
Copyright 2012 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Weiterhin soll der Begriff „Kougoed“ eingeführt werden. Kougoed bezeichnet eine Zubereitung aus S. tortuosum, welche hauptsächlich zur oralen Aufnahme gedacht ist, aber auch geschnupft und geraucht wird. Wir gehen später noch genauer auf die bekannten Konsumformen ein. Prinzipiell sind zwei traditionelle Verfahren zur Herstellung von Kougoed bekannt (Smith et al., 1996).

Das erste Verfahren läuft folgendermaßen ab:

Die geernteten Pflanzenteile werden zwischen zwei Steinen zerrieben und in einen Beutel gepackt (ursprünglich ein Beutel aus Tierhaut oder pflanzlichem Material, heutzutage Kunststoff). Der Beutel wird fest verschlossen und in die Sonne gelegt, sodass das Pflanzenmaterial zu „schwitzen“ beginnt. Nach zwei bis drei Tagen wird der Beutel geöffnet, der Inhalt durch gemischt und wieder verschlossen. Am achten Tag wird der Beutel geöffnet und der Inhalt in der Sonne getrocknet. Das fertige Kougoed ist zäh und hellbraun.

Das zweite Verfahren ist schneller und soll angeblich Kougoed von gleicher Qualität ergeben:

Ein kleines Feuer wird auf sandigem Boden entzündet. Wenn es herunter gebrannt ist, wird die Asche entfernt, ein kleines Loch gegraben und frisches Pflanzenmaterial darin platziert. Das ganze wird mit heißem Sand bedeckt und so eine Stunde gebacken. Das Pflanzenmaterial wird entnommen und ist dann gebrauchsfertig.

In jedem Fall ist es notwendig frisches Pflanzenmaterial durch Hitzeeinwirkung oder Fermentation zu behandeln. Unbehandeltes Material hat einen hohen Gehalt an Oxalsäure. Sutikno et al. (1987) berichten von 3,6 – 5,1 % Oxalat. Der Anteil sollte bei jedem Verfahren so weit wie möglich reduziert werden, da Oxalsäure nicht nur den Geschmack negativ beeinträchtigt, sondern auch gesundheitsschädlich ist. Es wird diskutiert ob durch das Zerkleinern der Pflanzenteile und damit der Zerstörung des Gewebes freie Oxalsäure mit zellwand-assoziertem Kalziumsalzen komplexiert und ausgefällt wird. Möglich sind auch Vorgänge während des Fermentationsprozesses, die den Gehalt an Oxalsäure verringern. Bei dem oben genannten thermischen Zubereitungsverfahren von Kougoed im heißen Sand ist eine (teilweise) Sublimation und Zersetzung von Oxalsäure unterhalb des Siedepunkts von Mesembrin (186 – 190 °C) wahrscheinlich.

Weiterhin wird durch die Behandlung des frischen Pflanzenmaterials das Alkaloidprofil verändert. Smith et al. (1998) untersuchten die Veränderungen und Verteilung der einzelnen Alkaloide in S. tortuosum bei der Fermentation. Dazu wurden drei verschiedene Materialien verglichen:

  • A: Nicht zerkleinertes Pflanzenmaterial, welches bei 80 °C getrocknet wurde
  • B: Zerkleinertes und mit der Beutel-Methode fermentiertes Pflanzenmaterial
  • C: Zerkleinertes und anschließend bei 80 °C getrocknetes Pflanzenmaterial
Chromatografische Profile von S.tortuosum Extrakten. Die Peaks sind: 1. 4′-O-demethylmesembrenol, 2. Mesembrin, 3. Mesembrenon, jeweils bei: (A) Nicht zerkleinertes Pflanzenmaterial, bei 80 °C getrocknet, (B) Zerkleinertes und fermentiertes Material, (C) Zerkleinertes Pflanzenmaterial, bei 80 °C getrocknet.
Copyright Swets & Zeitlinger

Die chromatografische Analyse der Proben zeigte, dass B und C, also die zerriebenen Proben einen wesentlich höheren Anteil an Mesembrenon (Smith et al. (1998) identifizierten es in dieser Untersuchung als ∆4-Mesembrenon) und verringerte Anteile von 4′-O-demethylmesembrenol sowie Mesembrin aufwiesen. Die Ergebnisse sowie weitere Untersuchungen zur Enzymaktivität in der selben Studie deuteten darauf hin, dass der wichtigste Schritt bei der Herstellung von Kougoed die mechanische Zerstörung der Zellkompartimente ist und dadurch eine enzymatische Reaktion möglich wird. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen aus dem Jahr 1998 besagen also im Wesentlichen, dass die mehrtägige, traditionelle Fermentation im Vergleich zum einfachen Zerkleinern des frischen Materials keine großen Unterschiede bringt.

Weitere Studien (Patnala und Kanfer , 2011) kommen zu einem etwas anderem Ergebnis. Zwar konnten auch sie eine Verringerung des Mesembringehalts und eine Erhöhung des ∆7-Mesembrenongehalts während der traditionellen Fermentationsmethode (10 Tage) feststellen, jedoch zeigen ihre Ergebnisse, dass zerkleinertes und sofort bei 80 °C getrocknetes Material im Gegensatz zu den Beobachtungen von Smith et al. (1998) kein ähnliches Alkaloidprofil wie das traditionell im Beutel fermentierte Material aufweist. Unten stehend sind die Veränderungen des Mesembrin- / ∆7-Mesembrenongehalts während der Fermentation aus der Studie von Patnala und Kanfer (2011) zu sehen.

LC-MS Chromatgramm (TIC) von zerkleinertem Pflanzenmaterial am Tag 1 des Fermentationsprozesses.
Copyright 2008 Elsevier Ireland Ltd.
LC-MS Chromatgramm (TIC) von zerkleinertem Pflanzenmaterial am Tag 10 des Fermentationsprozesses.
Copyright 2008 Elsevier Ireland Ltd.

Weitere Untersuchungen an wässrigen Lösungen von reinem Mesembrinhydrochlorid zeigten, dass Licht und Wärme für den Fermentationsprozess wichtig sind. Wenn solche Lösungen dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, wandelte sich Mesembrin zu ∆7-Mesembrenon, wurden sie aber im Dunkeln gelagert, war keine Umwandlung zu beobachten. Die neuen Ergebnisse sprechen für die traditionelle Beutel-Methode der Kougoed Zubereitung, zumindest im Hinblick auf die Erzielung eines möglichst hohen ∆7-Mesembrenongehalts.

Folgende Zubereitungsmethode scheint am sinnvollsten zu sein:

Das Pflanzenmaterial möglichst gründlich zerkleinern und vermengen bevor die Fermentation stattfindet. Der Fermentationsbeutel (z.B. Ziplock Beutel) sollte dann unter Einwirkung von Sonnenlicht 2-3 Tage verschlossen bleiben. Anschließend wird er geöffnet und der Inhalt durch gemischt. Es folgen weitere 7 Tage Fermentation unter gleichen Bedingungen. Zuletzt wird das Material in der Sonne oder bei 80 °C im Ofen getrocknet und erst bei Bedarf mit Mörser und Pistill pulverisiert. Bei Bildung von Schimmelpilzen muss der ganze Ansatz verworfen werden.

Fermentiertes und getrocknetes Kanna (S. tortuosum)

Anbau

Die Samen haben einen Keimungsinhibitor, der durch Waschen entfernt werden muss. Man legt die Samen dazu zwei Tage in eine Schale mit Wasser. Um die Keimung weiter zu beschleunigen kann Gibberellinsäure (1g/L) zugesetzt werden. Anschließend werden die Samen in einem Sieb gewaschen. Die gewaschenen Samen werden auf der feuchten Erde verstreut und sanft angedrückt. Als Erdmischung kommt sehr lockeres Substrat zum Einsatz, ähnlich wie bei Kakteen. Bewährt hat sich 40 % Erde, 40 % Perlite, 20 % Aquarienkies (Volumenprozent). Die Keimungstemperatur sollte um 14 °C nachts und 24 °C tagsüber liegen. Der Temperaturunterschied ist wichtig für eine erfolgreiche Keimung. Wenn die Samen nicht mit Gibberellinsäure behandelt wurden, kann die Keimung mehrere Wochen dauern. Um Schimmelbildung zu verhindern, kann ein Antimykotikum wie z.B. Chinosol verwendet werden.

Blühende Kannapflanze.

Die Pflanzen sollten sehr hell und sobald sie größer sind, sonnig platziert werden. In ihrer natürlichen Umgebung wachsen sie unter starker Sonneneinstrahlung, teilweise aber auch halbschattig unter Sträuchern. Wenn die Pflanzen etwas gewachsen sind, können Stecklinge geschnitten werden um schnell mehr Pflanzen zu erhalten. Die Wachstumsperioden sind im Frühling, Herbst und Winter, die Ruheperiode im Sommer. In der Ruheperiode spärlich gießen. S. tortuosum ist mehrjährig und wird bis zu 5 Jahre alt. Die besten Pflanzenteile sind ältere, verholzte Stämme. Die Ernte erfolgt in der Zeit der Fruchtbildung, da der Alkaloidgehalt des Pflanzenmaterials dann besonders hoch ist.

Konsumformen und Wirkung

Getrocknetes und pulverisiertes Kanna

Anm.: Kougoed und Kanna werden in den folgenden Abschnitten synonym verwendet, gemeint ist die getrocknete, aktive Zubereitung nach der oben beschriebenen Methode.

Der Alkaloidgehalt variiert zwischen verschiedenen Kougoed Zubereitungen und nimmt außerdem mit dem Alter des Materials ab. Insofern können nur ungefähre Richtwerte zur Dosis gegeben werden. Kanna kann geraucht, geschnupft, gekaut oder als Tee getrunken werden.

Wird es geraucht, dann häufig im Mischkonsum mit Cannabis. Konsumenten berichten von einer starken Intensivierung der Wirkung von Cannabis, wenn sie gleichzeitig Kanna geraucht hatten. Insbesondere werden Veränderungen der akustischen Wahrnehmung beschrieben, aber auch visionäre Zustände und Pseudohalluzinationen (Smith et al., 1996). Wird zusätzlich Alkohol konsumiert, verstärken sich diese Effekte weiter. Typische Dosierungen bewegen sich um 150 mg des trockenen Materials. Die Wirkung tritt beim Rauchen innerhalb weniger Minuten ein.

Die traditionell häufigste Konsumform war das Kauen des fermentierten Pflanzenmaterials. Eine angenehme Methode ist das Kauen von 1 – 2 g Kougoed mit einem Stück Kaugummi. Weiterhin beschreiben Smith et al. (1996) einen Zustand „ruhiger Entspanntheit“ nach dem 2 g Kougoed mit etwas Alkohol für 10 Minuten im Mund behalten wurden. Von einer hohen, anxiolytischen Dosis von 5g oral konsumiertem Pulver wird ebenfalls berichtet.

Die Zubereitung eines Tees mit einer Menge von 500 mg – 2g ist auch möglich. Bei allen oralen Konsumformen dauert es länger bis eine Wirkung spürbar ist, mit bis zu 45 Minuten beim Trinken des Tees. Letztendlich wird die maximale Wirkstoffmenge dadurch begrenzt, dass es bei hohen Dosen zu Übelkeit und Magenschmerzen kommen kann. Der Geschmack kann durch Mischung mit Grün- oder Kamillentee und Zugabe von Honig verbessert werden. Empfehlenswert ist es, eine Scheibe frischen Ingwer zu zugeben, um die anfängliche Übelkeit zu verringern. Die Wirkung des Tees hält etwa 3 Stunden an und ist von Euphorie, Stimmungsaufhellung und einem Gefühl der Leichtigkeit geprägt.

Das Schnupfen des fein zerkleinerten Materials oder von kommerziell verfügbaren Extrakten („Kanna 5x“, „Kanna 10x“…) ist, bezogen auf die benötigte Menge, effektiv und erzeugt bei den meisten Konsumenten einen starken Effekt. Übliche Dosierungen sind 50 – 100 mg, die Wirkung tritt innerhalb von 5 – 15 Minuten ein. Der Körper fühlt sich leicht an, die Stimmung wird deutlich gehoben, Angstzustände werden aufgehoben. Musik wird intensiver Wahrgenommen, die Lust sich zu bewegen steigt und das allgemeine Körpergefühl ist energetisch. Die Erfahrung wird von vielen Konsumenten subjektiv mit der Wirkung einer geringen Dosis MDMA verglichen und dauert bis zu einer Stunde.

Wirkmechanismen und pharmazeutische Verwendung

Wirksame Substanzen sind hauptsächlich Mesembrin, Mesembrenon und Mesembrenol. Wie aus Analysen von fermentiertem Kougoed hervorgeht, ist der Gehalt an Mesembrenon höher als der von Mesembrin. Viele pharmakologische Untersuchungen beziehen sich auf Mesembrin, jedoch sind die pharmazeutischen Effekte auf alle drei Hauptalkaloide zurückzuführen. Die Alkaloide wirken als SSRI und hemmen die Phosphodiesterase 4 (PDE4). Mesembrin blockiert von den enthaltenen Alkaloiden den 5-HT Transporter am stärksten, wirkt aber nicht gut als PDE4 Hemmer. Mesembrenon dagegen blockiert PDE4A vollständig, sowie PDE4B und den 5-HT Transporter nennenswert. Mesembrenol blockiert ebenfalls den 5-HT Transporter (Harvey et al., 2011).

Die Effekte von Mesembrin, Mesembrenol und Mesembrenon (alle 3 μM) in PDE- und Bindungsassays. (a) 100 % Blockierung am 5-HT Transporter, (b) 100 % Blockierung von PDE4A.
Copyright 2011 Elsevier Ireland Ltd.

Folgende Tabelle enthält die genauen Parameter der 5-HT Transporter / PDE4 Hemmung (Harvey et al., 2011):

VerbindungKi (nM)nHIC50 (nM)nH
Mesembrin1,41,078001,3
Mesembrenon271,04800,8
Mesembrenol621,1160001,0

nH: Hill Koeffizient

Aufgrund der Wirkung als SSRI am 5-HT Transporter entfaltet Kanna eine antidepressive Wirkung. Es ist eines der wirksamsten natürlichen Antidepressiva. Weiterhin wird die cAMP-spezifische PDE4 gehemmt. Die potentiellen Wirkungen eines klassischen PDE4 Hemmers (siehe z.B. Rolipram) sind:

  • Antidepressive Wirkung
  • Antipsychotische Wirkung
  • Antiinflammatorische Wirkungen
  • Positive Auswirkungen auf die Gedächtnisfunktion
  • Neuroprotektive Wirkungen

Vor allem beim Langzeitkonsum größerer Mengen Kanna können aber auch Nebenwirkungen auftreten. In einer Studie mit Ratten wurden bei täglichen, oralen aufgenommenen Mengen von 20 mg/kg S. tortuosum folgende Nebenwirkungen beobachtet (C. Smith, 2011):

  • Erhöhtes Auftreten von Durchfall (Kanna wird traditionell auch bei Verstopfung angewandt)
  • Immunsuppressive Wirkung durch Verringerung der Anzahl an TH1-Lymphozyten
  • Mögliches Auftreten von Unverträglichkeitsreaktionen und erhöhten Entzündungswerten

Inwieweit die Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen übertragbar sind und welche Dosen für den Langzeitgebrauch sicher sind, ist bis jetzt nicht geklärt und bedarf weiterer Untersuchungen. In jedem Fall muss beachtet werden, dass Kanna als SSRI wirkt und nicht mit MAO Inhibitoren sowie bestimmten Drogen kombiniert werden darf.

Mögliche medizinische Anwendungen von Kanna, Extrakten aus Kanna und den Wirkstoffen Mesembrin, Mesembrenon und Mesembrenol wurden in US Patent 6,288,104 (2001) genannt und umfassen:

  • Leichte bis moderate Depressionen und depressive Phasen
  • Psychologische und psychiatrische Angstzustände
  • Behandlung von Alkohol- und Drogenabhängigkeit
  • Behandlung der Bulimia nervosa
  • Behandlung von Zwangsstörungen

Ein standardisiertes Extrakt aus S. tortuosum mit dem Handelsnamen Zembrin wird seit 2012 von HG&H Pharmaceuticals (PTY) Ltd. vertrieben, wobei eine Zulassung durch die FDA noch aussteht.

Zusammenfassung

Kanna wird seit langer Zeit zur Behandlung von Krankheiten und als Genussmittel von den Einwohnern Südafrikas verwendet. Die enthaltenen Alkaloide wirken als SSRI und PDE4 Hemmer.

Konsumformen umfassen das Kauen und Schnupfen des fermentierten Pflanzenmaterials, das Zubereiten von Tees sowie die Herstellung und Anwendung von Extrakten und Tinkturen. Die Wirkung ist abhängig von der Dosis und reicht von beruhigend und anxiolytisch bis stimulierend und euphorisierend.

Studien und Untersuchungen zur sicheren Anwendung am Menschen sind noch nicht abgeschlossen. Mögliche Nebenwirkungen bei hohen Dosierungen und Langzeitkonsum wurden im Tiermodell festgestellt, sind beim Menschen aber nicht ausreichend erforscht.

WARNHINWEIS

Da Kanna einen SSRI (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) enthält können bei Mischkonsum mit bestimmten Drogen oder Medikamenten gefährliche Wechselwirkungen auftreten.

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Quellenangaben

9 Antworten zu „Kanna (Kougoed) – Sceletium tortuosum“

  1. […] Kanna (Kougoed) – Sceletium tortuosum […]

  2. Avatar von Blärgm
    Blärgm

    Bravo! Sehr ausführlicher und informativer Artikel über eine unbekannte, aber bemerkenswerte Sukkulente!

  3. Avatar von Cumbia 22
    Cumbia 22

    Wow, also mir hats gefallen. Find das zum Feiern auch nich schlecht 😉 Und natürlich ist immer besser als chemie!

  4. Avatar von Lilianchen
    Lilianchen

    Habe das Produkt mal ausprobiert und gleich beim ersten Test hatte ich fast sofort ein Gefühl von Zufriedenheit und Verbundenheit mit meiner Umgebung, außerdem hat es mich super relaxt. Für mich erfüllt es seinen Zweck, mit meinem Mann werde ich es demnächst an einem schönen Abend auch noch ausprobieren :))

    Vielen Dank für den schönen Artikel, grüße,

    Lilianchen

    1. Avatar von jackytreehorn
      jackytreehorn

      Vielen Dank!

  5. Avatar von Hanse
    Hanse

    I use it for lucid trovecy

    1. Avatar von jackytreehorn
      jackytreehorn

      Silene capensis is also used by some to induce lucid dreaming.

  6. Avatar von B.A.Barraccus
    B.A.Barraccus

    Die beiden Chromatogramme von 2008 geben im Vergleich nicht das wieder was im Text steht.
    Im Vergleich von Tag 1 der Fermentation zu Tag 10 der Fermentation, sieht man nur das sich der Mesembrin-Gehalt deutlich verringerte. Der Mesembrenon-Gehalt ist aber nicht signifikant gestiegen. Das spricht gegen eine Umwandlung von Mesembrin zu Mesembenon.
    Für mich heißt das das der langwierige Fermentationsprozess keinen wirklichen Sinn macht, da anscheinend nur Mesembrin zersetzt wird.
    Für mich heißt das es reicht sorgfältiges Zerkleinern und Trocknen für das beste Ergebnis.
    Würde mich über weitere Meinungen dazu freuen.

    1. Avatar von Jacky Treehorn
      Jacky Treehorn

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Hast du schon praktische Erfahrungen mit dem Prozess? Vielleicht kannst du deine Methode noch etwas genauer beschreiben? Es ist nie auszuschließen, dass bei einer Studie auch methodische Fehler vorliegen. Die neuere Studie von Patnala und Kanfer (2011) zeigt auf jeden Fall eine Verringerung des Mesembrin und Erhöhung des Mesembrenongehaltes bei der Fermentation des Materials gegenüber der sofortigen Trocknung.

      Jacky

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