Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Korruption nach dem Ende der Monarchie und die massive Umweltverschmutzung machen dem kleinen Land im Norden Indiens schwer zu schaffen. Abseits von der immer weiter wachsenden Hauptstadt Kathmandu finden sich aber unberührte Himalayaregionen in denen einfache Dorfgemeinschaften noch wie vor Hundert Jahren leben. Die Menschen dort haben erst seit wenigen Jahren Strom, viele sind Anhänger animistischer Naturreligionen. Wir waren im März in der Annapurna Region unterwegs um das Leben in diesen Bergdörfern zu verstehen.
Eine Woche haben wir uns zu Fuß durch das wilde Vorgebirge des Himalayas geschlagen. Fünfzig Kilometer auf einsamen Wegen und alten Natursteinstufen, durch rot blühende Rhododendronwälder und pittoreske Bauerndörfer mit ihren saftig grünen Getreideterrassen. Wer Nepal wirklich entdecken will, muss langsam reisen. In den Bergregionen erzählen die Bewohner die alten Legenden von den Göttern, die auf den majestätischen Gipfeln der gigantischen Berge des Himalayas wohnen. Und sie erzählen von einem ganz besonderen Honig, der verrückt macht wenn man ihn isst. Der „verrückte Honig“ wird von den Naturheilern der Gurung als Medizin verwendet und von den Bewohnern dieser einsamen Bergdörfer als halluzinogene und aphrodisierende Droge benutzt.
Aber wie kann Bienenhonig halluzinogen sein? Wir essen ihn ja schließlich zum Frühstück und merken rein gar keine psychoaktive Wirkung. Die Ursache ist nicht der Honig an sich, sondern der Pollen bestimmter Pflanzen, welchen die Honigbienen einsammeln. Die Wirkstoffe im gesammelten Pflanzenpollen gehen dann in den Honig über. Bereits in der Antike war der verrückte Honig bekannt und wurde mit dem dionyschen Wahnsinn in Verbindung gebracht:
In the country of the Sanni, in the same part of Pontus, there is another kind of honey, which, from the madness it produces, has received the name of „mænomenon.“ This evil effect is generally attributed to the flowers of the rhododendron, with which the woods there abound; and that people, though it pays a tribute to the Romans in wax, derives no profit whatever from its honey, in consequence of these dangerous properties.
-Pliny, 21.45
In den Bergwäldern von Nepal ist der Rhododendronbaum massenweise vertreten, die Himalayaregion hat die höchste Artenvielfalt der Gattung Rhododendron weltweit. Viele dieser Rhododendronarten, z.B. Rhododendron ponticum enthalten Giftstoffe in Blättern, Nektar und Pollen. Es handelt sich dabei um die Grayanotoxine aus der Klasse der Diterpene. Beim Menschen verursachen diese Stoffe Benommenheit, Halluzinationen, Übelkeit, Krämpfe und einen verlangsamten Herzschlag. Bei hohen Dosierungen kommt es zu starken Herzrhythmusstörungen, Ohnmacht oder sogar Tod durch Atemstillstand (Yarlioglues et al., 2011).
Die erfahrenen Honigjäger der nepalesischen Gurung sammeln den verrückten Honig mit selbst gebauten Leitern von den steilen Hängen des Himalayavorgebirges. Wir möchten euch dazu die folgende spannende Dokumentation empfehlen, welche nicht nur eine Honigjagd und die Folgen einer Überdosis, sondern auch das Leben in den Bergdörfern Nepals authentisch darstellt.
Quellenangaben
Pliny the Elder, The Natural History. John Bostock, M.D., F.R.S., H.T. Riley, Esq., B.A., Ed. Book 21, Chapter 45
Yarlioglues M, Akpek M, Ardic I, Elcik D, Sahin O, Kaya MG. Mad-Honey Sexual Activity and Acute Inferior Myocardial Infarctions in a Married Couple. Texas Heart Institute Journal. 2011;38(5):577-580. PMCID: PMC3231547
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